Sehr geehrter Herr Präsident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Bernhard Seidenath, du hast die 36 Stunden im Bundestag angesprochen, bevor die Änderungsanträge bekannt wurden. Vor 36 Stunden haben wir hier im Landtag auch noch nicht gewusst, dass wir heute eine Regierungserklärung haben werden.
Von dem Sieben-Punkte-Plan haben die Abgeordneten aus der Pressekonferenz erfahren. Dieser ist im Vorfeld nicht kommuniziert worden. Weil die Stimmungslage der CSU in der ersten Reihe wohl gerade etwas zum Kochen gebracht wird, darf ich an die Worte der Kollegin Schorer-Dremel erinnern: Ein bisschen entspannte Höflichkeit wäre hier ganz gut.
Während ich, wie du ja festgestellt hast, lieber Bernhard, aufmerksam die Reden verfolgt habe, habe ich nebenbei eine Strichliste geführt. In den Redebeiträgen der Regierungsfraktionen ist sage und schreibe 27 Mal das Wort "Krankenhaussterben" gefallen und darauf die Aussage gefolgt, dass die Bayerische Staatsregierung jetzt der große Retter in der Not ist. Ich finde das ehrlicherweise schon relativ bemerkenswert, wenn man sich die Grundlage für dieses Retten der Kliniken ansieht, nämlich den Sieben-Punkte-Plan. Schaut man sich den Plan an, stellt man fest, wir brauchen eine Studie auf der einen und eine Datengrundlage auf der anderen Seite. Auch brauchen wir hier und dort ein bisschen Zahlenmaterial. Daher stellen sich für mich sehr deutlich zwei Fragen: Frage eins lautet, warum wir nicht einfach diejenigen, die die Zahlen haben, die Krankenkassen, das LGL, das Landesamt für Pflege, den Landkreistag und den Städtetag fragen. Überall dort liegt Zahlenmaterial vor. Wenn Sie sich jetzt darauf berufen, was jetzt eigentlich mit dem Krankenhausreformgesetz vonseiten des Bundes passiert, erinnere ich, sehr geehrter Herr Kollege Holetschek, an dein Gutachten, das du als Gesundheitsminister zum Referentenentwurf dieses Gesetzes hast erstellen lassen. Wir haben es damals ausführlich im Gesundheitsausschuss diskutiert. Das könnte man auch als Grundlage heranziehen und darauf aufbauen. Ich finde es – hier auch herzlichen Glückwunsch und alles Gute an Frau Staatsministerin – positiv, dass der Freistaat Bayern mit diesem Sieben-Punkte-Plan die Welt zwar nicht neu erfindet, aber endlich anfängt, das zu tun, wofür er da ist.
Sehen wir uns einmal die Reform und all das, was folgen muss, im Detail an. Ja, ich glaube, und das eint alle, zumindest bis auf die Fraktion rechts außen, wir brauchen eine Krankenhausreform. Warum? – Weil es verschiedene Gründe gibt, die man im Rahmen einer dreißigminütigen Regierungserklärung wahrscheinlich – und ich glaube, hier bin ich mir mit der Gesundheitsministerin einig – gar nicht in aller Ausführlichkeit beleuchten kann, egal, wie sehr man es wollen würde. Die Auslastung der Kliniken ist zunehmend gesunken, weil wir immer kürzere Behandlungseingriffe haben und immer mehr Leistungen ambulant und in teilstationärer Form erbracht werden können. Das ist eine positive Entwicklung, meine Damen und Herren! Wir hinken aber den anderen Ländern in diesem Bereich im europäischen Vergleich noch immer hinterher. Das heißt, hier geht es einen Schritt in die richtige Richtung. Das lohnt sich in der aktuellen Situation natürlich nicht. Jeder, der seit einem Jahr Mitglied in diesem Parlament ist, weiß, wie ausführlich wir über Themen wie den Fachkräftemangel diskutieren. Das System der Fallpauschalen setzt dann ökonomisch auch noch Fehlanreize, die dazu führen, dass Kliniken immer mehr Fälle generieren müssen.
On top kommt hinzu, dass die Investitionskostenförderung, bei der der Freistaat in der Pflicht ist, über die letzten Jahre hinweg zumindest nicht ausreichend war, was dazu geführt hat – Herr Kollege Streibl ist jetzt nicht mehr hier, aber ich liefere die Antwort auf meine Frage gleich ganz automatisch mit –, dass die Investitionskosten von den Kliniken logischerweise selbst zu tragen sind, die dann in der Regel über 10 bis 20 Jahre abgeschrieben werden, in der Bilanz aber wiederum als Abschreibungen auftauchen. Somit spiegeln sich die ursprünglich fehlenden Investitionskosten dann auch als Betriebskosten wider. Das heißt, es ist zu einfach und zu kurz gesagt, dass die Betriebskosten ausschließlich aufgrund einer zu geringen Übernahme vonseiten des Bundes und der Krankenkasse zu tragen sind. Nun erhalten wir aber alle Investitionshilfen. Wir kennen die Haushaltsverhandlungen. Diese werden übernommen. Die Welt ist rosarot. Auch erhalten wir die Datengrundlage. Die Entscheidungen werden dann in München getroffen. Daher stellt sich jetzt die Frage, wie man in Zukunft an das Thema Krankenhausplanung herangeht.
Ich möchte als Empfehlung mitgeben, dass ich glaube, es ist nicht die richtige Herangehensweise, dass wir sozusagen bei den Häusern anfangen, die in der Gesellschaft aktuell im öffentlichen Interesse stehen. Ich glaube, wir müssen uns sehr genau ansehen, welche Häuser zum Beispiel die sechs KRITIS-Krankenhäuser sind. Hier haben wir einen unveränderbaren Sicherstellungsauftrag, der erfüllt werden muss. Sie sind KRITIS-Krankenhäuser, weil sie im Rahmen der kritischen Infrastruktur genau das widerspiegeln und erreichen, was für die Bevölkerung wichtig ist. Ich bitte Sie, Frau Staatsministerin, für die Zukunft inständig: Nehmen Sie das Thema Krankenhausplanung von dieser Warte aus in Angriff! Wenn Sie dort Fortschritte erzielen und mit der Krankenhausplanung beginnen, kann man von KRITIS-Krankenhäusern über Maximal- und Schwerpunktversorger bis zu den Level-1i-Krankenhäusern usw. herunterdeklinieren. Auch ein bisschen im Hinblick auf die Redezeit ist die Kernfrage, die man sich stellen muss, aber doch eigentlich eine ganz offene.
Ich glaube, als Bayerischer Landtag ist es unabhängig von allen Fraktionen unsere Aufgabe, die Frage offen zu diskutieren, wie wir in Zukunft eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung definieren. Hier gibt es zwei Ansatzpunkte. Der eine Ansatzpunkt lautet, eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung so zu definieren: wenn man einen Zeitraum X, ich sage jetzt mal 30 Minuten, benötigt, um jeden Patienten in eine Klinik zu bringen. Das ist ein Ansatzpunkt. Es ist auch okay, diesen Ansatzpunkt zu verfolgen. Der zweite Ansatzpunkt ist ein anderer. Der zweite Ansatzpunkt lautet: Qualitativ hochwertige Medizin ist dann der Fall, wenn sich der Patient in der richtigen Zeit in der individuell richtigen Behandlungsform wiederfindet.
Deswegen finde ich es persönlich sehr, sehr gut, liebe Judith Gerlach, dass du in deinem Interview, das du dem BR gegeben hast, ein kleines bisschen mit den 28 Mal, die wir heute über Krankenhaussterben gesprochen haben, aufgeräumt hast. Es geht nämlich nicht, wie du vollkommen richtig gesagt hast, um Sterben oder Nichtsterben, sondern es geht um die Gestaltung eines Wandels hin zu einer guten Gesundheitsversorgung. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass wir das nur dann schaffen, wenn wir meine zweite Ausführung in den Blick nehmen: Wir GRÜNE wollen, dass in Zukunft jeder Patient zur richtigen Zeit in die richtige Behandlungsform kommt. Das bedeutet, wir müssen mit der Krankenhausplanung bei den Häusern der kritischen Infrastruktur beginnen und dann herunterdeklinieren. Wir müssen außerdem endlich alle anderen Versorgungsformen einbeziehen, zum Beispiel den Rettungsdienst, den Katastrophenschutz, die Hausärztinnen und Hausärzte sowie die ambulanten Versorgungsstrukturen, damit am Ende eine qualitativ hochwertige Versorgung mit positiven makro-gesundheitsökonomischen Kennzahlen steht, wie dies in den skandinavischen Ländern der Fall ist. Ich denke, genau das haben die Bürgerinnen und Bürger in Bayern verdient.
Foto: Robert Auerbacher