Sehr geehrte Frau Präsidentin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen!
Eine kleine Replik auf meinen Vorredner: Herr Magerl, mein Gott, was würde ich mir das wünschen, dass wir es schaffen, dass die Kinder nicht den Schund anschauen, den Sie ins Internet stellen.
(Beifall bei den GRÜNEN sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER und der SPD)
Aber stellen wir uns vielleicht etwas anderes vor. Stellen wir uns vor, eine alleinerziehende Mutter in Deggendorf ruft verzweifelt mehr als ein Dutzend Praxen an, weil ihr zehnjähriger Sohn seit Wochen nicht mehr zur Schule geht. Das Kind hat Angststörungen, verweigert komplett, aus dem Haus zu gehen, weint jede Nacht. Den ersten freien Therapieplatz gibt es Ende Oktober, nach über 100 Tagen Wartezeit. Kinder warten aber nicht. Ihre Entwicklung kennt keine Pausentaste.
Genau in diesem Moment, meine Damen und Herren, legen uns die Regierungsfraktionen aus CSU und FREIEN WÄHLERN einen Antrag vor, der den sogenannten Pakt für Kindergesundheit – Klammer auf: den das Parlament nur aus der Presse kennt, Klammer zu – im Rahmen von vorhandenen Stellen und Mitteln umsetzen will. Übersetzt heißt das: kein zusätzliches Personal, kein zusätzliches Geld, aber ein Berg voller leerer Versprechen.
Schauen wir der Realität ins Auge: Kinderärzte in München berichten, dass sie an einem Vormittag über 60 Kinder behandeln. Zeit für ein Gespräch mit den Eltern? – Vielleicht zwei Minuten. Die stationären Kapazitäten in den Kinderkliniken wurden allein von 1991 bis heute bundesweit um fast ein Drittel weniger. Gleichzeitig müssen Kinder und Jugendliche in Bayern im Durchschnitt dreieinhalb Monate auf eine dringend notwendige Psychotherapie warten. Wer wirklich ernsthaft behauptet, dass man diese Situation ohne zusätzliches Personal und ohne zusätzliche Mittel lösen kann, der verweigert sich schlicht der Realität.
Sie fordern in Ihrem Antrag, Verhältnisprävention zu stärken. Gleichwohl war es die CSU, die im Rahmen der Bundesratssitzung die Verhältnisprävention abgelehnt hat. Aber okay. Verhältnisprävention klingt großartig, klingt visionär. Was bedeutet das konkret? – Das bedeutet gesundes Mittagessen in den Schulen. Das bedeutet Schwimmkurse für alle. Das bedeutet sichere Radwege. Das bedeutet Suchtprävention in den Jugendzentren.
Meine Damen und Herren, all das gibt es nicht umsonst. Dieser Antrag wirkt auf uns ehrlicherweise wie ein Feuerlöscher ohne Löschmittel. Er glänzt wunderbar schön an der Wand, aber im Notfall wird sich dadurch nichts ändern.
Dann sprechen Sie noch von der GOÄ-Reform in Berlin, um Kinder- und Jugendärzte besser zu vergüten. Schön, das ist absolut richtig. Aber meines Wissens sind wir heute in München und zuständig für den Freistaat Bayern und nicht für die gesamte Bundesrepublik.
Was wir in Bayern heute beschließen könnten, wäre aber etwas anderes. Wir könnten zusätzliche Weiterbildungsstellen für Pädiatrie und Kinder- und Jugendpsychiater und -psychiaterinnen beschließen. Wir könnten eine Alternative zur Landarzt- und Kinderarztquote beschließen, die im ländlichen Raum wirklich ankommt. Wir könnten heute beschließen, dass wir eine finanzierte Hospitationspflicht in den Kinderkliniken einführen, damit junge Ärztinnen und Ärzte auch wirklich praktische Erfahrungen sammeln können. Wir könnten heute sogar beschließen, dass wir im Rahmen der notarztärztlichen Ausbildung ein Curriculum einführen, das pädiatrische Notfälle enthält.
Meine Damen und Herren, wir brauchen keine neuen Überschriften. Wir brauchen einen ganz konkreten Handlungsplan. Dass wir die Überschriften, die Sie heute formuliert haben, nicht negieren können, zeigt sich dadurch, dass wir heute auch zustimmen werden.
Aber ganz ehrlich, meine Damen und Herren: Da ist ganz, ganz viel Luft nach oben. Ich erwarte eine deutliche Steigerung im Rahmen der nächsten Haushaltsverhandlungen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Zum Antrag der Regierungsfraktionen geht es hier.