Pflegetour 2022: Zukunft Pflegebauernhof

Die erste Station der Pflegetour führt mich gemeinsam mit meiner Kollegin Gisela Sengl nach Karlshuld auf den Hof von Familie Angermeier.
Neben den Rindern, die sie hier in Mutterkuhhaltung züchten, leben auf dem Hof Pferde, Esel, Hühner, Gänse, Ziegen, Enten und mehr. Es ist fast wie im Bilderbuch und da wundert auch nicht die Kleinkindergruppe, die mit ihren Erzieherinnen zwischen den Ställen ihren eigenen kleinen Martinszug feiert.

Kinderbetreuung, Reitstunden, Kinderfeste, ein kleines Café: all das gehört bereits jetzt zum Hofalltag dazu, doch die Familie wünscht sich mehr Möglichkeiten und möchte den landwirtschaftlichen Bio-Betrieb mittelfristig verkleinern. „Wachse oder weiche“ kommt für sie nicht in Frage. Als dann während Corona die Kinder zu Hause blieben und das Café geschlossen werden musste stießen sie bei ihrer Suche nach Alternativen auf den

Pflegebauernhof

Das Konzept ist als Symbiose zwischen einer bestehenden (kleinbäuerlichen) Landwirtschaft und einer Hausgemeinschaft von Personen mit Pflegebedarf gedacht: Landwirt:innen schaffen geeigneten Wohnraum mit Gemeinschaftsräumen und die Möglichkeit Pflegebedürftige in den Hofalltag ihren Neigungen und Gewohnheiten entsprechend zu integrieren und arbeiten dabei von den ersten Planungen an mit einem Pflegedienst zusammen, der im besten Fall von allen Bewohner:innen beauftragt wird, die anfallenden Pflegeleistungen je nach Pflegegrad zu übernehmen.

Für den Umbau oder Ausbau können die Landwirt:innen, wie die Familie Angermeier, zum Beispiel Zuschüsse aus dem Fördertopf von „Pflege so nah“ beantragen und die Investitionen mit den Mieten absichern.

Das Fachpersonal des Pflegedienstes wäre durch die Bündelung der Bedarfe aller Bewohner:innen durchgehend vor Ort und wäre auch in die Abläufe und Arbeiten des Hofes eingebunden.

Win-Win?

Wenn es gut läuft: ja! Natürlich kommt einiges an Investitionskosten zusammen, bevor aus einer Scheune barrierefreie und pflegegeeignete Wohneinheiten entstehen und dafür müssen die Landwirt:innen mit einem auskömmlichen Mietpreis kalkulieren.

Die potentiellen Bewohner:innen könnten wahrscheinlich günstiger wohnen, finden in einem Pflegebauernhof aber neben Gesellschaft auch die Möglichkeit, sich einzubringen und Aufgaben zu übernehmen: Eier einsammeln, Hasen füttern, Beete pflegen oder einfach nur den Laufenten beim Schnattermarsch zusehen.

Der Initiator des Konzeptes, der selbst einen Pflegebauernhof auf dem Hof seiner Großmutter in Rheinlandpfalz unterhält, erzählt uns das Beispiel eines früheren Landmaschinenmechanikers, der jetzt so oft es nötig ist, akribisch und mit Freude die Maschinen am Hof kärchert.
Lebensfreude und Prävention gegen seelische Probleme quasi nebenbei.

Und der Personalmangel?

Obwohl die Angermeiers in Karlshuld noch nicht über die Planungsphase hinaus gekommen sind, wurden sie bereits von vielen Pflegekräften kontaktiert, die hier ihre berufliche Zukunft sehen könnten. Der Pflegebauernhof spricht auch Berufs-Rückkehrer:innen an, die sich hier ein breiteres Aufgabenspektrum, teilweise auch außerhalb der Pflegeaufgaben, erhoffen.
Auch andere bereits bestehenden oder in Planung befindliche Pflegebauernhöfe außerhalb Bayerns haben keine Probleme, Personal zu finden und führen eher Wartelisten.

Win – Win – Win – Win

Die kleinbäuerliche Landwirtschaft bleibt bestehen,
die Bewohner:innen genießen Natur, Gemeinschaft und Tiere,
Pflegefachkräfte finden Arbeitsbedingungen, die sich von denen der stationären Langzeitpflege deutlich unterscheiden und
der Pflegedienst findet sein Auskommen gebündelt in einer Gemeinschaft.

Ein innovatives Projekt mit viel Potential!

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