Pflegetour 2022: Interkulturelle Öffnung in der Pflege

Unsere Gesellschaft ist vielseitig und die vielseitige Gesellschaft wird älter.
Die interkulturelle Öffnung ist als wichtiges Thema schon lange zum Beispiel im Bildungsbereich angekommen und die Notwendig wird auch für die medizinische Akutversorgung immer breiter diskutiert.

Doch wie steht es um die IKÖ in der Langzeitpflege oder in den Unterstützungsangeboten für Pflegebedürftige?

Meine Kollegin Gülseren Demirel und ich durften dazu mit den Fachpersonen des Horst-Salzmann-Zentrums der AWO in München reden.

Die AWO München arbeitet seit vielen Jahren daran, die IKÖ in ihren Pflegeeinrichtungen und -diensten zu implementieren. Ein langfristiger, ständiger Prozess, an dem alle Mitarbeitenden aller Bereiche beteiligt werden sollten, von der Leitung bis zur Hauswirtschaft, der idealerweise durch Kooperationen und Kontakte zu Verbänden und Vereinen innerhalb des Sozialraumes gestützt wird.
Dieses breite Aufgabenfeld kann nicht allein durch Engagement neben dem Tagesgeschäft bearbeitet werden, sondern muss auch personell unterfüttert sein.
Bei der Finanzierung dazu sieht sich der Freistaat bislang leider nicht in der Pflicht.

Dabei ist IKÖ ein bedeutender Bestandteil personenbezogener Pflege und beginnt schon bei der Biographiearbeit.

Pflegebedürftige Personen sind so individuell sind wie der ganze Rest der Gesellschaft. Dass die Männer in der Betreuung Vogelhäuschen zusammennageln und die Frauen stricken, funktioniert längst nicht mehr. Die Biographien unserer Seniorinnen und Senioren sind nicht mehr größtenteils ähnlich und von den gleichen einschneidenden Ereignissen geprägt.

Spätestens jetzt, wo die erste Generation der Menschen, die dem Versprechen auf Arbeit nach Deutschland folgten, pflegebedürftig wird, müssen auch deren Bedürfnisse mitgedacht werden: Eine Demenzerkrankung kann zum Beispiel auch zum Verlust einer eigentlich gut beherrschten Fremdsprache führen. Dass es dann im Umfeld Menschen geben sollte, die die Muttersprache beherrschen, erscheint banal, ist aber längst nicht selbstverständlich.

Sensibilität für Vielfalt sollte als wichtiges Qualitätsmarkmal in der längst angekündigten Novelle des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes verankert werden, das fordern wir Grüne seit Jahren.

Eine diskriminierungsfreie Pflege schafft im Umkehrschluss auch diskriminierungsfreie Arbeitsplätze, in dem sich alle Mitarbeitenden wertgeschätzt und angenommen fühlen können. Auch das steigert die Attraktivität eines Arbeitsplatzes und bindet Personal.

Bis 2020 wurden die Münchner Einrichtungen der Langzeitpflege durch ein Modellprojekt der Stadt München bei der Interkulturellen Öffnung unterstützt.
Gülseren Demirel, bis zu ihrem Einzug in den Landtag Stadträtin und Sozialpädagogin bei der AWO, war daran selbst maßgeblich beteiligt.

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