Weitsicht statt Tunnelblick

Um den Tunnel überhaupt bauen zu können, musste erst das Grundwasser abgesenkt werden. Die natürlichen Quellen des Berges fallen also in der gesamten Bauzeit trocken. Das Hangquellmoos muss derweil künstlich bewässert werden. Trotzdem trocknet das Moos aus und muss vollständig saniert werden.

Die Geschichte des Kramertunnels zeigt vor allem eins: Ein Berg ist nicht einfach ein großer Fels, den man so durchbohren kann, wie man es gerade braucht.
Ein Berg ist ein Lebensraum für Pflanzen und Tiere, die sehr viel Zeit hatten, sich auf seine Besonderheiten optimal einzustellen. Wasserführende Gesteinsschichten speisen Quellen, die nicht nur seltene Moose wachsen lassen. Von dem was dort wächst leben unzählige Tiere, die genau hier ihr optimales Biotop gefunden haben.

Wenn der Berg ruft, genießen wir alle gern die anscheinend so intakte Natur.
Wenn der Berg aber regelrecht ausblutet, nehmen wir das für ein bisschen weniger Stau und freie Fahrt gern in Kauf. Dabei verschieben wir das Problem mit dem Verkehrskollaps nur bis zum nächsten Ort oder eben bis vor den nächsten Berg. Bestenfalls.

Auch wenn die Baufirma gerade eine Millionenklage verloren hat, ist trotzdem klar, dass die Kosten explodieren. 100 Millionen mehr als veranschlagt soll der Tunnel am Ende kosten. Ob hier schon 2024 die ersten Autos fahren, ist mehr als ungewiss.

Das viele Geld in die Schiene investiert, hätte das Verkehrsproblem eben nicht einfach nur verschoben. Ein Mobilitätskonzept mit gut abgestimmten Angeboten hätte die Menschen in Garmisch dauerhaft aufatmen lassen.

Gigantische Verkehrsprojekte, die ausschließlich dem motorisierten Individualverkehr zugutekommen, wirken auf mich gerade jetzt, wo wir die Auswirkungen des Klimawandels von Jahr zu Jahr deutlicher spüren, wie aus der Zeit gefallen.

Es ist endlich die Zeit für mehr Weitsicht und weniger Tunnelblick!

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