Kommentar zum 9-Euro-Ticket

Selbst die Sorgloseren spüren längst, dass sich die Preisspirale dreht.

Während die einen vielleicht allenfalls auf den Restaurantbesuch verzichten, verzweifeln die anderen an den Discounterkassen.

Wie es ist, wenn das Obst für die Kinder zum Luxusgut wird und die Angst vor einer kaputten Waschmaschine deinen Alltag beherrscht, schildern Betroffene seit Tagen unter dem Trendhashtag "ichbinarmutsbetroffen" ganz unmittelbar.

Hier geht es nicht um die beste Altersvorsorge oder um Verwerfungen am Aktienmarkt, sondern darum, dass Eltern abends „keinen Hunger haben“, bevor die Kinder satt sind, um die nächste Nebenkostenabrechnung und um die Stigmatisierung von Armut auf dem Wohnungsmarkt.

Viele Tweets beginnen mit der Überwindung, die es kostet über die eigene Armut zu reden, einige enden mit der Versicherung „nicht faul zu sein“.

Um Armut wirkungsvoll bekämpfen zu können müssen wir endlich anfangen, mit den Betroffenen zu reden, ohne das Gefühl von „Schuld“ und „Versagen“ mitschwingen zu lassen, dass durch „Fördern und Fordern“ in unsere Gehirne getropft ist.

Nicht „wir“ werden in der aktuellen Situation mit steigender Inflation ärmer, sondern denen, die vorher wenig hatten, bleibt jetzt nichts. Außer dem Stigma. Darüber müssen wir reden und dagegen müssen wir Politik machen!

Ein 9 Euro Ticket mag für ein paar Betroffene zwar eine Erleichterung sein, aber die geht mit dem Sommer dann auch wieder. Ein kräftiger Schluck aus der Gießkanne hat noch nie einen Flächenbrand gelöscht.

Zurück zur Übersicht